Wenn Transformation zur Theateraufführung wird: Die Boeing-Consulting-Saga
- Daniel H. J. Kern

- 25. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Es gibt Unternehmensgeschichten, die klingen wie aus einer Management-Satire.
Und dann gibt es Boeing.
Ein Konzern, der über 1 Milliarde Dollar für Berater ausgegeben hat – und am Ende trotzdem ohne Lösung dastand. Airlines waren sauer, Liefertermine rutschten nach hinten, und die Berater? Sie gingen mit perfekten Dashboards und ebenso perfekten Rechnungen nach Hause. Wie konnte das passieren?
Willkommen in der Welt des Transformationstheaters.
Der Anfang vom Chaos – und das grosse Beratungs-Feuerwerk
Zur Einordnung: Die Lieferkette von Boeing war schon vor der Pandemie ein Konstrukt aus lose befestigtem Klebeband. Dann kam Covid – Werksschliessungen, Teilemangel, globale Zulieferer in Schieflage. Ergebnis: logistischer Ausnahmezustand.
Was tut man als Grosskonzern in so einer Situation?
Richtig: Man ruft McKinsey. Und BCG. Und Deloitte. Wenn schon Panik, dann bitte mit PowerPoint-Unterstützung.
Jede dieser Firmen brachte das Beste aus ihrem Markenportfolio mit:
McKinsey: Strategische Frameworks (mindestens siebenstufig, alles darunter gilt als unprofessionell).
BCG: Advanced Analytics, die ganz sicher die Zukunft vorhersagen – nur leider keine Flugzeugteile herstellen.
Deloitte: Digitale Transformation, natürlich cloudbasiert und mit fancy Buzzword-Bingo inklusive.
Kostenpunkt: eine schlanke Milliarde. Über zwei Jahre. Für das Geld bekommt man normalerweise ein Dutzend KMUs – oder eben Beratung.
Und dann begann das Transformationstheater
Die Berater bauten beeindruckende Dashboards. Richtig beeindruckende Dashboards. Glänzende Visualisierungen, Echtzeitdaten, bunte Charts. Man konnte plötzlich alles sehen: Lieferverzögerungen, Bestände, Engpässe. Nur eines konnte man nicht: das Problem lösen.
Denn Dashboards:
reparieren keine gebrochenen Lieferantenverträge,
bringen keine fehlenden Teile ins Werk,
und bauen keine jahrzehntelang beschädigten Beziehungen wieder auf.
Aber sie sehen gut aus. Und sie vermitteln das Gefühl, dass etwas passiert. Und das reicht meist schon, um Board und Shareholder zu beruhigen.
Der menschliche Kollateralschaden
Während PowerPoints produziert wurden, passierte im echten Unternehmen Folgendes:
Führungskräfte im Einkauf wurden ausgetauscht.
Middlemanager mussten plötzlich an „Upskilling“-Workshops teilnehmen (nichts schweisst ein Team so sehr zusammen wie acht Stunden Methoden-Canvas).
Teams wurden neu organisiert – mehrmals. Das steigert nicht die Effizienz, aber immerhin die Komplexität.
Und die Berater? Die stellten ihre Stundenrapporte aus.
Warum fallen kluge Menschen immer wieder darauf rein?
Weil Transformationstheater unglaublich verführerisch ist:
Aktivität sieht aus wie Fortschritt.
Charts sehen aus wie Kontrolle.
Meetings fühlen sich an wie Führung.
Die perfekte Illusion!
Wie man es besser macht – eine Lektion von Toyota
Wer echte Transformation will, schaut nicht auf Dashboards. Er schaut nach Toyota.
Toyota holt und schickt keine Berater, sondern Ingenieure direkt in die Werke der Zulieferer. Dort wird gemeinsam optimiert, verbessert, probiert. Schritt für Schritt, Jahr für Jahr. Das ist nicht schick, nicht schnell, nicht PowerPoint-kompatibel – aber es funktioniert.
Boeing hätte genau das gebraucht:
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
Partnerschaften auf Augenhöhe
Gewachsenes, jahrelanges Vertrauen
Teams, die echte Probleme lösen, statt neue Meetingformate zu erfinden
Stattdessen gab es: Viel Theater. Und kein Happy End.
Das Ergebnis?
Die Lieferketten blieben chaotisch.
Die Reputation bekam massive Kratzer.
Die Berater kassierten über 1 Milliarde Dollar.
Die Airlines bekamen keine Flugzeuge.
Und Boeing bekam viel PowerPoint, aber keine Lösungen.
Fazit:
Man kann eine Krise nicht weg-automatisieren. Und man kann sie ganz sicher nicht weg-präsentieren. Transformation ist kein Dashboard. Sie ist schmutzig, mühselig, menschlich.
Am Ende lösen Menschen Probleme – nicht bunte Balkendiagramme und flashy Präsentationen.




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