Das Lattice-Managementmodell von Gore
- Daniel H. J. Kern

- 11. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Okt.
Das Unternehmen W. L. Gore & Associates, das vor allem für seine Marke GORE-TEX bekannt ist, hat eine einzigartige Unternehmensführung, die sich von traditionellen hierarchischen Strukturen unterscheidet. Gore verwendet ein sogenanntes "Lattice"-Managementmodell, das auf flachen Hierarchien und einer netzwerkartigen Organisationsstruktur basiert. Einige Kernelemente dieses Modells sind:
Keine formalen Titel
Bei Gore gibt es keine offiziellen Titel oder Positionen im traditionellen Sinne. Mitarbeitende werden ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und Rollen zu übernehmen, die ihren Stärken und Interessen entsprechen.
Führung durch Einfluss, nicht durch Autorität
Führungskräfte werden nicht durch formale Machtstrukturen bestimmt, sondern durch ihren Einfluss und ihre Fähigkeit, andere zu inspirieren und zu motivieren.
Hohe Autonomie
Mitarbeitende haben grosse Freiheit in ihrer Arbeit und sind selbst dafür verantwortlich, wie sie ihre Aufgaben erfüllen. Diese Autonomie fördert Kreativität und Innovation.
Direkte Kommunikation
Das Lattice-Modell fördert direkte Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden, ohne dass Informationen durch mehrere Ebenen von Management gefiltert werden.
Teamorientierung
Projekte werden oft in kleinen, interdisziplinären Teams durchgeführt, die sich je nach Bedarf bilden und auflösen können.
Langfristige Investition in Mitarbeitenden
Gore legt grossen Wert auf die persönliche und berufliche Entwicklung seiner Mitarbeitenden und investiert in kontinuierliches Lernen und Wachstum.
Dieses Modell hat Gore geholfen, eine Kultur der Innovation und Zusammenarbeit zu schaffen, die das Unternehmen zu einem der erfolgreichsten in seiner Branche gemacht hat.
Persönliche und berufliche Entwicklung spielt eine entscheidende Rolle in der Innovationsförderung eines Unternehmens aus mehreren Gründen:
Fähigkeiten und Wissen erweitern
Durch kontinuierliches Lernen und Entwicklung erweitern Mitarbeitende ihre Fähigkeiten und ihr Wissen, was ihnen ermöglicht, neue Ideen und Lösungen zu entwickeln.
Motivation und Engagement steigern
Mitarbeitende, die in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung unterstützt werden, fühlen sich wertgeschätzt und motiviert. Dieses Engagement kann zu höherer Produktivität und einem stärkeren Innovationsstreben führen.
Anpassungsfähigkeit fördern
In einem sich schnell verändernden Marktumfeld ist die Fähigkeit, sich anzupassen, entscheidend. Entwicklungsprogramme helfen Mitarbeitenden, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und neue Herausforderungen zu meistern.
Kreativität anregen
Weiterbildung und berufliche Entwicklung fördern kreatives Denken, indem sie neue Perspektiven und Ansätze aufzeigen, die Mitarbeitende in ihre Arbeit einbringen können.
Führungspotenzial entfalten
Entwicklungsprogramme identifizieren und fördern zukünftige Führungskräfte, die Innovationen vorantreiben und das Unternehmen in die Zukunft führen können.
Innovationskultur stärken
Ein starkes Engagement für die Entwicklung der Mitarbeitenden signalisiert eine Unternehmenskultur, die Wert auf Wachstum, Lernen und Innovation legt, was wiederum alle Mitarbeitenden dazu ermutigt, kreativ und innovationsfreudig zu sein.
Insgesamt trägt die persönliche und berufliche Entwicklung dazu bei, ein Umfeld zu schaffen, in dem Innovation gedeihen kann, indem sie die Fähigkeiten, Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden stärkt.
Im Zusammenhang mit dieser aussergewöhnlichen Unternehmenskultur stellt sich die Frage, wie die Beurteilung der Mitarbeitenden funktioniert.
Bei Gore erfolgt das Performance Assessment auf eine Art und Weise, die mit der einzigartigen Unternehmensstruktur und Kultur im Einklang steht. Anstatt formale jährliche Leistungsbeurteilungen durchzuführen, setzt Gore auf ein informelles Peer-Review-System. Hier sind einige wesentliche Merkmale dieses Ansatzes:
Peer-Feedback
Mitarbeitende erhalten Feedback von ihren Kollegen und Kolleginnen, die ihre Arbeit direkt beobachten und beurteilen können. Dies fördert eine faire und umfassende Bewertung, da es nicht nur von einer einzelnen Führungskraft abhängig ist.
Fokus auf Zusammenarbeit
Da das Unternehmen stark teamorientiert arbeitet, wird die Fähigkeit, effektiv im Team zu arbeiten und zur Teamleistung beizutragen, besonders hervorgehoben.
Laufendes Feedback
Anstatt auf ein jährliches Feedback zu warten, wird kontinuierliches Feedback gefördert. Dies ermöglicht es den Mitarbeitenden, sich ständig zu verbessern und anzupassen.
Selbstreflexion
Mitarbeitende werden ermutigt, sich selbst zu reflektieren und ihre eigenen Leistungen und Entwicklungsbedarfe zu bewerten. Dies trägt zur Selbstverantwortung und zum persönlichen Wachstum bei.
Entwicklung statt Bewertung
Der Fokus liegt auf der Entwicklung und dem Wachstum der Mitarbeitenden, anstatt auf einer formalen Bewertungsskala. Dies fördert eine positive Einstellung zur Weiterentwicklung und Innovation.
Dieses System unterstreicht die Werte von Autonomie, Teamarbeit und kontinuierlichem Lernen, die zentral für die Unternehmenskultur bei Gore sind.
Die Voraussetzungen angesichts eines solchen Managementmodells und Kultur sind vielfältig. Besondere Aufmerksamkeit muss darin der Personalgewinnung geschenkt werden. In der Rekrutierung müssen, nebst der fachlichen Qualifikation, hauptsächlich folgende Voraussetzungen evaluiert werden:
Eigenmotivation und Initiative
Mitarbeitend sollten von Natur aus motiviert sein, Verantwortung zu übernehmen und proaktiv zu handeln, ohne auf Anweisungen von oben zu warten.
Offenheit für Lernen und Entwicklung
Eine Bereitschaft, ständig zu lernen und sich weiterzuentwickeln, ist entscheidend, um mit den sich ändernden Anforderungen und Technologien Schritt zu halten.
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Mitarbeitende sollten in der Lage sein, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und kontinuierlich an ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu arbeiten.
Konstruktive Feedback-Fähigkeiten
Die Fähigkeit, konstruktives Feedback zu geben und zu empfangen, ist essenziell, um eine positive und produktive Arbeitsumgebung zu fördern.
Kollaborationsbereitschaft
Eine starke Teamorientierung und die Bereitschaft, eng mit anderen zusammenzuarbeiten, sind notwendig, um in einer netzwerkartigen Struktur erfolgreich zu sein.
Fazit
Das Lattice-Managementmodell von Gore bietet einen faszinierenden Einblick in eine Unternehmensführung, die Innovation und Zusammenarbeit in den Mittelpunkt stellt. Durch flache Hierarchien, Autonomie und eine Kultur des kontinuierlichen Lernens schafft Gore ein Umfeld, in dem Kreativität gedeihen kann. Trotz der hohen Anforderungen an Selbstorganisation, Feedback-Bereitschaft und Lernwillen zeigt Gore, dass solche Modelle nicht nur funktionieren, sondern auch zu aussergewöhnlichem Erfolg führen können. Unternehmen, die bereit sind, traditionelle Strukturen zu hinterfragen, finden in diesem Modell wertvolle Anregungen, um ihre eigene Innovationskultur zu stärken und sich an die dynamischen Anforderungen des Marktes anzupassen. PS: Immer wieder höre ich, dass solche Modelle ja gut geeignet seien, für Start-ups oder allenfalls KMU. Stand 2024 beschäftigte Gore 12'000+ Mitarbeitende. Just sayin'.




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